Brief 92 - Vergebung ist Befreiung

Auch mein heutiger Brief soll an das Ende des letzten anknüpfen, der da lautete:

 

Niemand wählt zerstörerisches Verhalten sich selbst und anderen gegenüber. Wenn Du anderen ihr Verhalten übel nimmst, gehst Du davon aus, dass sie die Wahl hatten, dass sie anders hätten handeln können. Aber das ist eine Illusion. Solange der Verstand mit seinen konditionierten Mustern das Leben beherrscht, hat man keine Wahl!

Wenn Du das erkennst, kann sich Dein Groll auflösen und - im besten Fall - in Mitgefühl verwandeln.

 

Könnte es ein überzeugenderes Argument geben, Dein Verurteilen in Vergeben zu verwandeln?

 

Ein italienisches Sprichwort besagt:

 

Feinden verzeihen, heißt nicht kleinmütig sein, sondern eine starke Seele besitzen.

 

Vergebung steht für innere Stärke, für Reife! Oder, wie es Georg als Reaktion auf meinen letzten Brief schreibt: "Solange Du Groll, Hass oder Neid im Herzen trägst, bis Du vom „Geist“ deines Gegenübers beherrscht. Vergebung ist Befreiung, ist Heilung. Vergebung entwaffnet und erleichtert.“

 

Wenn Du die Wahlmöglichkeit erkennst und Dich für den Weg der Vergebung entscheidest, hat das sogar eine zweifach befreiende Wirkung: Du befreist Dein Gegenüber aus der vermeintlichen Schuld und Dich selbst aus der zerstörerischen Spirale der Verurteilung. Das nenne ich wahre Heilung!

 

So möchte ich für heute mit einem Irischen Segen abschließen, der so schön ist wie die Irischen Segenswünsche, deren Refrain den Titel meiner Briefe bilden: "Bis wir uns wiedersehen…"

 

Möge Dein Arm nicht erlahmen, wenn Du die Hand zur Versöhnung ausstreckst.

Möge Dein Fuß nie müde werden, wenn Du auf Deinen Widersacher zugehst.

Mögen Dir Flügel eines Engels wachsen, wenn Du von diesem Gang zurückkehrst.