Brief 88 - Auszeit

Morgen soll es soweit sein: Nach gefühlt ewig langer Zeit ist mal wieder eine Urlaubsreise geplant. Eine Woche am Vierwaldstättersee, dorthin, wo ich schon als Bub die schönsten Tage des Jahres verbringen durfte.

Wie sieht es bei Dir aus? Hast Du Dir dieses Jahr eine Auszeit nehmen können oder träumst Du noch davon?

 

Vielleicht ist Dir die Lust am Reisen durch das ganze Hin und Her der letzten Monate aber auch vergangen. Dann bleibt Dir wenigstens noch die kleine Auszeit - und sei es nur eine halbe Stunde in Deinem Lieblingscafé oder eine abendliche Runde durch den Park.

 

Einmal dem Alltag entfliehen, und wenn es nur für eine kleine Auszeit ist. Eine mit großer Verheißung: Erholung vom Stress der letzten Wochen und Monate, Abstand von den täglichen Schreckensnachrichten und Sieben-Tage-Inzidenzen, Freiraum für neue Gedanken und Ideen. Ich bin dann mal weg…

 

Aber wenn die schönen Tage vorbei sind, der Kaffee ausgetrunken ist und die Jacke für den Abendspaziergang durch den Park wieder am Haken hängt, entpuppt sich unsere Erwartung nicht selten als Illusion und wir finden uns schneller als gedacht zurück im Alltag.

 

Irgendwann wird Dir klar, dass es, um neue Kraft zu schöpfen und den Kopf frei zu bekommen, gar nicht um die Entfernung zwischen Dir und dem sogenannten Alltag geht. Sondern um die tiefe Verbindung zu Dir selbst und Deinen Tagen auf dieser Welt!

 

Um diese Verbindung wahrzunehmen, brauchst Du gar nichts zu tun! Womit wir schon beim schwierigsten Teil wären…

 

Mal ganz ehrlich: Bei mir liegt immer so viel an, dass mir das Nichtstun echt schwer fällt. Und wenn ich dann mal soweit bin, dass ich das Tun mal lassen kann, dann arbeiten die Gedanken munter weiter.

Aber wer sagt denn eigentlich, dass wir mindestens eine halbe Stunde im Lotossitz meditieren müssen? Für neue Kraft und frische Gedanken reicht schon eine kurze Auszeit:

 

Schließ einfach Deine Augen und sei nur Dein Ein- und Ausatmen. Ein einziger Atemzug reicht. Und wenn Dir die Auszeit gefällt, gehst Du noch ein oder zwei Atemzüge in die Verlängerung. Natürlich kannst Du Dir über den Tag verteilt immer wieder solche Auszeiten gönnen.

 

Klingt banal? Sagt höchstens Dein kluger Verstand. Vielleicht betrittst Du Neuland: Du tauchst für einen Augenblick ein in Deine Wirklichkeit. Dorthin, wo Du in Dir ruhst. Einen einzigen Atemzug lang gar nichts zu tun, kann Wunder wirken!

Du bist einfach da. Weil das reicht! Weil alles, was darüber hinausgeht, eigentlich nur Unterhaltungsprogramm ist. Aber auch aus dem besten Unterhaltungsprogramm muss man mal kurz aussteigen, um sich selbst nicht im Geschehen zu verlieren.

Es ist ein Ausstieg aus den ausschließlich sinnlichen Wahrnehmungen, die - wie wir wissen - alles andere als die Wirklichkeit darstellen.