Brief 42 - Vom selben Stern

Heute gibt es eine Premiere: Ein Gastbeitrag zum Tag der Deutschen Einheit! Der Gast ist Schweizer und mag an Deutschland nicht nur die schönen Pilgerwege...

 

Mir gefällt, dass der Feiertag der Deutschen mit der Einheit zu tun hat. Natürlich ist damit die Wiedervereinigung von Ost und West gemeint. Ein geschichtliches Ereignis, welches am ehemaligen Grenzverlauf noch heute sicht- und erfahrbar ist. Ich erinnere mich an meine berufliche Zeit in Berlin. Ich stand mitten im bunten Trubel der Großstadt am Potsdamer Platz und sah auf einer Infotafel die Bilder der Kriegszerstörungen und des Todesstreifens, der hier noch vor wenigen Jahren jegliches Miteinander verunmöglichte. Sich hier nun frei bewegen zu können, sorgte bei mir für ein Gefühl tiefer Demut.

 

Die Vereinigung von West und Ost kann man auch als Einheit von Sonnenauf- und untergang, bzw. Polarität von Tag und Nacht betrachten.

Die Briefe 25-27 haben sich mit der Polarität beschäftigt. Eine Erkenntnis war, dass die beiden Pole die zwei gegenüberliegenden Enden derselben Sache darstellen, die untrennbar zu einer Einheit verbunden sind und einander geradezu bedingen.

In diesem Zusammenhang zitierte ich auch Hermann Hesse. Und weil er ebenfalls Deutschland und der Schweiz verbunden war, sei sein Zitat hier nochmals wiederholt:

 

"Unsere Bestimmung ist, die Gegensätze richtig zu erkennen, erstens nämlich als Gegensätze, dann aber als Pole einer Einheit.“

 

Der Gedanke der Einheit ist mir geradezu heilig. So wurde er auch zur Überschrift meiner Pilgertouren: „Einssein mit der Schöpfung“. Das geht weit über die Polarität von Ost und West hinaus. Es geht darum, unser ganzes Menschsein unter diesem Aspekt zu betrachten.

Der berühmte „Ossi“ und „Wessi“.stehen nur synonym für unterschiedliche Ausprägungen und Charaktere: Mutige und ängstliche, tapfere und leidende, aufrechte und geknickte, fröhliche und traurige, Gewinner und Verlierer…

 

Noch deutlicher treten die Polaritäten zutage, wenn es um unsere inneren Einstellungen und Meinungen geht.

Hand aufs Herz: Kannst Du etwas Verbindendes in den Gegensätzen zu Deinen tief eingegrabenen Überzeugungen finden - wo auch immer Du Dich einordnen magst: Links oder rechts, Öko oder Profit, Genussradler oder Autoposer, Maskenverweigerer oder Corona-Schisser, „Refugees welcome“ oder „Ausländer raus", "Ich zuerst" oder „Planet Earth first"? Die Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen und es lohnt sich wirklich, wenn Du es mit Deinen persönlichen Überzeugungen und Glaubenssätzen tust.

Um Dir zum Schluss die entscheidende Frage zu stellen, ob und wo Du die Einheit erkennen kannst?

 

In unserer Unvollkommenheit? In der Abhängigkeit von unserer biografischen Prägung? Im Schicksalshaften?

Oder im Menschsein? Im Schöpfung sein?

 

2007 sang das deutsche Popduo Ich + Ich in ihrem Titel „Vom selben Stern“:

 

Du bist von selben Stern

Ich kann deinen Herzschlag hören

Du bist vom selben Stern

Wie ich

 

Weil dich die gleiche Stimme lenkt

Und du am gleichen Faden hängst

Weil du dasselbe denkst

Wie ich….

 

Es geht hier nicht um Schönreden oder darum, Deine Überzeugungen aufzugeben. Es geht darum, aus Feinden Menschen zu machen. Nur daraus kann Friede in Dir und mit der Welt entstehen.

Auch dafür steht das Einssein mit der Schöpfung. Und die Chance für den Tag der Deutschen Einheit.