Brief 41 - Beherzt unterwegs

Wie ist das, wenn es regnet?

 

Schlicht so lautete der Inhalt der Email einer Teilnehmerin am Vortag meiner Pilgertour am Samstag.

Ich gestehe, dass mein erster Gedanke war: Dann wirst Du nass! Aber diese Antwort hätte der besorgten Teilnehmerin wohl ebenso wenig gefallen wie die Erklärung, dass, wenn es regnet, die Luftmasse sich unter den Taupunkt abgekühlt hat, das gasförmig gespeicherte Wasser dabei kondensiert und zu Boden fällt.

 

Wenn Du voller Enthusiasmus Deine erste Pilgertour geplant hast und der Tag des Aufbruchs naht, kommt vielleicht fasst zwangsläufig der Gedanke auf, was eigentlich ist, wenn es regnet? Noch wenn - so wie am Freitag - die Wetterprognosen die Möglichkeit von Regen durchaus anzeigen.

Trotzdem aufbrechen? Sind meine Schuhe überhaupt wasserdicht? Und überhaupt: Worauf lässt Du Dich da ein?

 

Die Fragen stehen synonym für andere Situationen des Aufbruchs im Leben. Was wenn…? Und da braucht auch niemand mit erhobenem Zeigefinger kommen. Sich zu überlegen, was passieren könnte, kann Dich vor manch böser Überraschung bewahren. Aber eben auch von manch guter…

Das sieht auch der Südtiroler Extrembergsteiger, Abenteurer und Buchautor Reinhold Messner so, wenn er sagt:

 

Das Bild vom furchtlosen Helden täuscht. Er ist ein Fantasieprodukt. Ein Held, der keine Angst hat, braucht keinen Mut. Die Angst ist eine ständige Begleiterin. Ohne Angst lebt kein Grenzgänger lange. Die Angst ist die andere Hälfte von Mut.

 

Was aber, wenn die Angst dazu führt, wegen Regen, Viren oder was auch sonst noch so angeflogen kommen könnte, auf das zu verzichten, was Du von Herzen gerne tun würdest? Wenn Du im wahrsten Sinne nicht beherzt auf Deinem Lebensweg unterwegs sein kannst?

 

Der libanesisch-US-amerikanische Maler, Philosoph und Dichter Khalil Gibran (1883-1931) schrieb dazu:

 

Beherzt ist nicht, wer keine Angst kennt, beherzt ist, wer die Angst kennt und sie überwindet.

 

Was könnte für diesen Schritt wichtiger sein, als das Vertrauen, dem sich Brief 35 widmete. Jenes Vertrauen, das über unseren Verstand hinausgeht, weil es aus einer tieferen Quelle schöpft, der universellen Schöpferkraft.

 

Das war auch dem guten Khalil Gibran klar, als er meinte:

 

Vertrauen ist eine Oase im Herzen, die von der Karawane des Denkens nie erreicht wird.

 

Die eingangs erwähnte Email habe ich übrigens mit der Erfahrung beantwortet, dass ich und viele andere Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, sich nach dem ersten Gehen bei Regen die Frage gestellt haben, weshalb sie bislang bei diesem Wetter zu Hause geblieben sind?

Du spürst die besondere Atmosphäre des Wachsens und Gedeihens in der Natur, die Dich in ihrer Ruhe verstärkt bei Dir selbst bleiben lässt. Und Du bemerkst, dass Du mit Schirm, Charme und Regenjacke nichts auszustehen hast.

Die Frau antwortete daraufhin: OK, ist dann wie eine Taufe… Großartig!

 

Übrigens setzte der Regen am Samstag just in dem Moment ein, als wir am Zielort bei Kaffee und Kuchen zusammensaßen. Und besagter Teilnehmerin fiel in Wilsede zu unser aller Überraschung auf, dass die versammelte Gesellschaft draußen vor der Gaststätte eine Taufe feierte!

So spielt das Leben, wenn Du Dich vertrauensvoll auf den Weg machst!