Brief 34 - Die verlorene Leichtigkeit

Sommer, Sonne, Leichtigkeit… Das Leben genießen! Wann, wenn nicht jetzt? Wenn Du zu den Glücklichen gehörst, die einen gemütlichen Schattenplatz in einer sanften Brise, ein gutes Buch und die nötige Gelassenheit haben, dann ist die Sache schon fast geritzt. Aber was, wenn der Schatten genauso fehlt wie der Balkon oder der Garten, wenn die Gelassenheit sich nicht einstellen will oder Deine Zeit es momentan einfach nicht zulässt?

 

Dann lass uns doch gemeinsam Kurzurlaub machen. Beginn: Sofort!

 

Wir beamen uns in Deine Erinnerung vom Sommer, Sonne und Leichtigkeit! Vielleicht ist es der Ort, wo Du als Kind Deine Ferien verbracht hast. Oder das Freibad in Deinem Stadtteil. Dein Bade-oder die Nordsee, die Berge oder das platte Land.

 

Spüre mit allen Sinnen nach. Welche Bilder kommen in Dir hoch, welches Körpergefühl, welches Geräusch, welcher Geruch und Geschmack? Tauch tief ein! Augen zu und los...

 

Bei mir ist es der Vierwaldstättersee in der Zentralschweiz. Dort wohnte meine Tante Trudi, dort verbrachte ich mit meinen Schwestern und unserer Mama die Sommerferien. Mein Bild dazu ist der Ort Weggis, die Idylle am klaren See, umgeben von stolzen Bergen. Das Körpergefühl ist im See zu schwimmen, das warme Wasser an der Oberfläche und das kühlere in der Tiefe. Der Ton ist das Signalhorn der Schaufelraddampfer, die den See durchpflügen, und der Geruch meiner Sommererinnerung steigt warm vom  imposanten Antrieb  jener Raddampfer hoch zu den ehrfürchtig in den Maschinenraum blickenden Passagieren: Der Duft des  Maschinenöls, das die zwischenzeitlich über hundert Jahre alten technischen Meisterwerke in Schuss hält. Und der Geschmack kommt ebenfalls vom See: Die edlen Eglifilets, das sind Flussbarsche, von meinen Cousins geangelt und von meiner Tante schmackhaft zubereitet.

 

Du merkst, ich bin schon mittendrin im schönsten Sommergefühl! Ich schwelge schon und möchte gar nicht zurückkommen. Ich bleibe noch ein wenig und hole mir immer mehr schöne Erinnerungen in die Gegenwart.

 

Wohin tauchst Du ab? Was siehst, hörst, riechst und schmeckst Du? Welche sommerlichen Erinnerungen kommen zu Dir zurück? Wenn Du magst, so schreibe mir, wie Du weißt, bin ich gerne Wegbegleiter!

 

Sommer, Sonne, Leichtigkeit… So fing mein heutiger Text an. Wahrscheinlich ist die Leichtigkeit der entscheidende Faktor bei meiner und Deiner Sommererinnerung. Diese Leichtigkeit und Einfachheit, die uns allen im Alltag so oft abhanden gekommen ist. Und das manchmal schon in frühen Jahren, wenn die Welt doch eigentlich noch kinderleicht sein sollte. Irgendwann ist alles derart komplex und kompliziert geworden, dass wir die Einfachheit gar nicht mehr kennen. Dann erscheint uns nichts mehr leicht. Und wenn es uns leicht erscheinen würde, dann würde man uns vielleicht sogar als einfältig diffamieren.

 

Matthieu Ricard, ein buddhistischer Mönch und Molekularbiologe, hat dazu geschrieben:

 

Der Einfältige nimmt sich weder wichtig noch findet er sich tragisch. Er folgt seinem Weg als gutmütiger Mensch mit leichtem Herzen, ohne Ziel, ohne Bedauern, ohne Ungeduld. Die Welt ist sein Königreich, und es genügt ihm vollkommen. Die Gegenwart ist seine Ewigkeit, die ihn überglücklich macht. Es gibt nichts zu beweisen, und deshalb will er niemandem etwas vormachen. Es gibt nichts zu suchen, weil alles schon vorhanden ist. Was gäbe es Einfacheres als die Einfachheit? Was gäbe es Leichteres? Genau dies ist die Tugend der Weisen und die Weisheit der Heiligen.

 

Und so wünsche ich Dir nicht nur schöne Sommertage, sondern leichte und einfache Stunden. Mögest Du nicht vergessen, dass Leichtigkeit und Einfachheit nichts kompliziertes sind! Vielleicht ist das gerade die Schwierigkeit…