Brief 33 - Werde zum Friedensstifter

Im Juni haben sich meine Briefe und eine meiner Pilgertouren mit dem Thema Wahrheit beschäftigt. Thematisiert wurde die Polarität, also die Gegensätzlichkeiten, mit denen wir uns auf Schritt und Tritt konfrontiert sehen. Die Erkenntnis war, dass sie in Tat und Wahrheit nur die beiden Pole ein und derselben Sache darstellen. Alle Wahrheiten sind eben nur halbe Wahrheiten!

 

Heute möchte ich diese Erkenntnis in Zusammenhang mit der Diskussion über Sinn und Unsinn der Maßnahmen zur Reduzierung der Ausbreitung des Corona-Virus nochmals aufgreifen. Ein heißes Eisen, ich weiss. Aber lies trotzdem weiter, denn es geht hier nicht um Inhaltliches, um richtig oder falsch, Sinn oder Unsinn. Es geht um das, was wir aus der Art der Diskussion lernen können. Um eine Erkenntnis, die uns das Leben so viel leichter machen kann.

 

Das Thema Corona ist wohl gerade deshalb ein so hilfreiches Beispiel, weil es uns alle tangiert. Erstmal natürlich in unterschiedlichen Feldern: Gesundheitlich, wirtschaftlich, finanziell, existenziell oder sozial. Irgendwo sind wir alle Betroffene. Dadurch entsteht ein nachvollziehbares Interesse, dass Du Dich schützen möchtest. Dieses Schutzbedürfnis ist natürlich davon abhängig, wie sehr Dich die „Krise“ getroffen hat.

 

An dieser Stelle kommt der zweite Aspekt ins Spiel: Deine Konditionierung, deine Persönlichkeit, die Stabilität, mir der Du im Leben stehst. Bist Du eher ängstlich oder verfügst Du über eine gute Resilienz, also psychische Widerstandsfähigkeit? Bist Du sicher in der Gesellschaft vernetzt oder fühlst Du Dich eher auf Dich alleine gestellt? Kannst Du andere Meinungen gelten lassen oder musst Du tendenziell immer Recht behalten? Denkst Du eher, das Glas ist halb voll oder halb leer? Bist Du eher ein Hans im Glück oder ein Schwarzmaler?

 

Wie auch immer Deine Bilanz ausfällt: Du brauchst Dich nicht dahinter verstecken. Es ist einfach Dein eigener biografischer Hintergrund. Schau deshalb hin und werde Dir bewusst, vor welchem Hintergrund Du die aktuellen Diskussionen - und natürlich nicht nur die - betrachtest.

Aus Angst oder mit Mut? Stabil oder instabil? Vernetzt oder verloren? Offensiv oder defensiv?

 

Genauso unterschiedlich, wie wir vom Typus her nun mal sind - oder im Laufe unseres Lebens geworden sind - ist natürlich auch unsere Position, wenn es um solch bedeutende Themen wie Corona geht. Hier sind wir an dem Punkt, wo Du Dir Deine Wahrheit bildest. Aber es ist eben DEINE Wahrheit, und nicht  die der anderen!

Gehörst Du eher zu den Ängstlichen, ist die Sache für Dich schnell klar: Meine Gesundheit, meine Integrität, meine wirtschaftliche Existenz ist in Gefahr. Ich muss mich schützen. Gehörst Du hingegen zu denjenigen, die durch ein unterstützendes Umfeld und positive Erfahrungen eine gute Resilienz entwickeln konnten, dann fühlst Du Dich auch in einer Krise noch sicher genug.

Wenn Du niemanden hast, mit dem Du Deine Sorgen teilen kannst und der Dir etwas von seiner Hoffnung abgeben mag, dann erscheint es Dir oft so, als würden jeden Tag nur negative oder gar erschreckende Nachrichten auf dich einprasseln. Wenn Du gut vernetzt bist, erfährst Du Unterstützung in Form von anderen Sichtweisen, Zuspruch, Verständnis oder Hilfestellung. Das wirkt entlastend und verändert Deine Wahrnehmung - Deine Wahrheit!

Wenn Du immer Recht behalten musst, weil Deine Integrität sonst in Gefahr gerät, dann bist Du unbeweglich und machst Dein Überleben von Deiner Wahrheit abhängig. Du bist nicht mehr flexibel genug, um Dich mit der Wahrheit Deines Gegenübers ernsthaft zu beschäftigen.

 

Lässt sich mit diesen Mustern die Wahrheit finden? Wohl kaum!

Und wenn es so ist, dass alle Wahrheiten immer nur halbe Wahrheiten sind, dann brauchen wir auch gar nicht weitersuchen! Ist das nicht entlastend?

 

Wenn es Dir gelingt, mit der Erkenntnis in die neue Woche zu starten, dass Deine Wahrheit auf Deinen Erfahrungen beruht und diejenige Deines Gegenübers auf seinen, dann brauchst Du nicht mehr um Deine Position kämpfen. Und noch mehr: Du kannst dem anderen mit seiner konträren Meinung mit Würde und Respekt begegnen.

 

Auf dieser Basis wirst Du zum Friedensstifter für Dich und Deine Umwelt. Und wenn Du mit Dir und den anderen in Frieden bist, dann wirkt sich das auch positiv auf Dein Wohlbefinden aus.

 

Und so ganz nebenbei passiert dabei das, was man auch als Vergebung bezeichnet. Ganz real statt in frommen Worten.