Brief 300 - Der Sinn unseres Daseins

Ich finde, dass wir uns zum 300. Brief einer großen Frage zuwenden dürfen: Der nach dem Sinn unseres Daseins.

 

Wenn wir die Natur befragen, müssen wir feststellen, dass wir ihr gelinde gesagt egal sind. Schon gar als Individuen. Ob es uns gibt oder nicht, stellt für ihren Haushalt ein Nullsummenspiel dar.

 

Aber wir Menschen können einander sagen: „Ich sehe Dich als etwas Einmaliges, eine Kostbarkeit, die unvergleichbar ist. Nie wieder gibt es Dich ein weiteres Mal. Und in dieser Einmaligkeit respektiere, schätze und liebe ich Dich und fange ich an, Dich immer tiefer zu begreifen.“

Mit jedem bisschen Liebe, das wir einander schenken, öffnen wir das Fester eines sonst dunklen Raums und lassen das Licht hineinscheinen.

Jede menschliche Liebe weist hin auf die Größe einer Person, die möchte, dass wir sind - von Grund auf.

 

Wenn wir das spüren, finden wir den wirklichen Grund im Sinnzusammenhang unserer Existenz. Wir beginnen - ob wir es wollen oder nicht - an eine Schöpferkraft zu glauben, der wir es zutrauen, dass wir überhaupt nur sind, weil SIE will, dass es uns gibt.

 

Biochemisch ausgedrückt sind wir in erster Linie Kohlenwasserstoffmoleküle, die in ihrer Zusammensetzung einen Organismus formen können. Das ist die eine Seite. Wir werden geboren und wir werden sterben. Dazwischen fristen wir unser Dasein auf dieser Erde.

Wir sind aus Staub gemacht. Aber uns ist ein Geist eingehaucht worden, wir haben eine Seele.

 

Ein jüdischer Rabbi hat seinen Schülern einst erklärt: Ihr müsstet immer zwei Zettel in der Tasche haben. Auf dem einen steht: Nur Staub der Erde sind wir.

Wenn ihr hochmütig werdet, greift schnell in die Tasche und lest den Zettel.

Aber wenn ihr euch in den Staub gedrückt fühlt, wie ein Stück Dreck vorkommt, nicht mehr weiterwisst, dann holt den anderen Zettel aus der Tasche, auf dem steht: Aber Gottes Odem atmet in mir.

 

Du bist Träger dieses ursprünglichen, schöpferischen Atems. Es darf Dich nicht nur geben, es muss Dich geben, weil diese ursprüngliche Kraft möchte, dass Du bist.

 

Von der Natur wird Deine Existenz nicht gebraucht. Sie geht über Dich hinweg, ohne Dich zu benötigen oder zu vermissen.

Aber die Liebe der Schöpferkraft hat gewollt, dass Du existierst. Und das ist der wahre Hintergrund für den Sinn Deines Lebens.