Wir sollten uns nicht auf einen Gott verlassen, der alles richten wird, sondern auf einen Gott, der sich auf uns verlässt - als Statthalter dieser Schöpfung.
Dieser Satz ist für mich die entscheidende Aussage in dem vor einer Woche zitierten Interview mit den Religionsphilosophen Ahmad Milad Karimi.
Im Videobeitrag, auf den sich das Interview bezieht, sagt er:
Gaza ist eine Anklage, eine Frage: Wo ist Gott, wenn die Welt brennt? Wo ist Gott, wenn Häuser einstürzen, wenn ein Kind stirbt und niemand mehr schreit, wenn niemand hinsieht?
Die Theodizee, die Rechtfertigung Gottes, fragt: Wie kann Gott gut sein, wenn das Leid und das Böse überleben?
Aber vielleicht ist das nicht die eigentliche Frage. Vielleicht fragen nicht wir nach Ihm, sondern Er nach uns. Nicht wo ist Gott, sondern wo sind wir?
…Vielleicht beginnt Glauben nicht mit Trost, sondern wirklich mit Tränen. Mit der Erfahrung des Leidens.
…Wenn Du fragst, wo Gott ist, schau nicht nach oben, schau in die Wunde, in die Angst, in das Kind, das stumm geworden ist.
…Vielleicht findet man Ihn in der Frage, die uns nicht loslässt: Wie sollen wir vergeben? Wie sollen wir uns selbst vergeben?
Nicht in der Macht, sondern im Erbarmen, das keine Worte mehr kennt.
Wenn wir doch nur leise genug wären, um zu hören, was in den Nächten von Gaza nicht mehr gesagt wird. Vielleicht würden wir begreifen, dass Gott nicht als Antwort kommt, sondern als Gegenwart, die nicht mehr spricht, weil sie verwundet ist. Nicht größer als ein Atemzug, nicht stärker als ein Blick, nicht ferner als der Schmerz.
Ein Gott, der nicht erhebt, sondern trägt. Der nicht beweist, sondern bleibt. Der uns nicht mehr Ruhe schenkt, wenn wir an ihn denken, sondern gerade Unruhe, um Haltung zu zeigen.
Für den 1813 geborenen Philosophen und Theologen Søren Kierkegaard bedeutete Christ sein genau dies: Haltung zeigen!
So möchte ich auch heute mit zwei Zitaten von ihm schließen:
Man hat das Christentum viel zu sehr zu einem Trost umgearbeitet; vergessen, dass es eine Forderung ist.
Das Christentum ist keine Lehre, sondern eine Existenz-Mitteilung.
Christus hat keine Dozenten eingesetzt, sondern Nachfolger.