Die Frage am Ende des letzen Briefes taucht schon 300 vor Christus bei Epikur auf: Wie kann Gott denn diese Welt gemacht haben? Eine Welt voller Qual, Grausamkeit, Krankheit, Irrtümer, Gleichgültigkeit und sinnloser Zufälle. Was soll ein weiser Gott sich dabei gedacht haben?
Giordano Bruno erklärt diese Frage mit der Dynamik, die in allem enthalten ist. Alles muss und wird sich entwickeln!
Heute stimmen die Physiker dem zu. Denn alles, was wir sehen, die ganze Materie, ist Energie in Bewegung, ist reine Dynamik.
Wenn es denn so ist, stellt sich die Frage, ob es das Böse überhaupt gibt?
Was es auf alle Fälle gibt, ist der Wechsel aller Zustände.
Hat es dann aber noch Sinn, vom Bösen zu sprechen?
Der Denkansatz von Bruno ist, dass es das Böse geben mag im Übergang, aber eben nur dynamisch, da wir dem Folgezustand - willkürlich wie wir sind - früher oder später etwas Gutes abgewinnen können.
Bei näherer Betrachtung werden wir irgendwann bemerken, dass das sogenannte Gute sich auf ein Böses hin bewegt, weil uns seine Folgen plötzlich nicht mehr so gut gefallen.
So gesehen ist Gutes und Böses nichts anderes als menschliches Denken.
Was es wirklich gibt, ist eine Dynamik, die in diesen Begriffen gar nicht vorkommt.
Giordano Bruno könnte sich mit dieser Ansicht auf Meister Eckhart berufen, den man bereits Jahrhunderte vor ihm für seine Behauptung verurteilt hat, dass die Schöpferkraft in moralische Kategorien überhaupt nicht einzufügen ist.
Für Giordano Bruno ist alles in Bewegung, es gibt kein fertiges Böses und kein fertiges Gutes.
Heute beschäftigt sich die Chaosforschung der mathematischen Physik mit den Ordnungen in solchen dynamischen Systemen. Darauf gekommen ist bereits Immanuel Kant, der einen am Anfang chaotischen Bewegungszustand der Himmelskörper beschreibt, die aber aufeinander wirken und aus Chaos Ordnung schaffen.
Dass Dynamik Ordnung erschafft, entspricht dem Denken von Giordano Bruno - auch wenn er das Gravitationsgesetz noch nicht kennen kann.
Was er aber weiß: Es gibt kein Gut und Böse, es gibt nur eine Schöpferkraft, deren Macht groß genug ist, ihre Schöpfung in ständiger Dynamik zu halten.