Dass - wie zum Schluss des letzen Briefes zitiert - alles von Gott ausgeht und zu ihm zurückkehrt, ist eine Kreisläufigkeit und entspricht damit einer für die Renaissance charakteristischen Betrachtung. Auch Nikolaus Kopernikus’ heliozentrisches Weltbild, nach dem die Erde keine Scheibe, sondern ein Planet ist, der sich um seine eigene Achse dreht und sich zudem - wie die anderen Planeten - um die Sonne bewegt, entspricht einer Kreisläufigkeit.
Die Kirche ignoriert und leugnet dieses Modell, welches durch die späteren Entdeckungen und Gesetzmäßigkeiten von Johannes Kepler und Galileo Galilei sowie das Gravitationsgesetz des Isaac Newton wissenschaftlich bestätigt wird.
Giordano Bruno glaubt fest an Kopernikus Theorie und das zuvor bereits durch Nikolaus von Kues (er begegnete uns in Brief 256) postulierte unendliche Universum.
Nach seiner Überzeugung kann einer allmächtigen und unendlichen Gottheit nur ein unendliches Universum entsprechen, denn alles andere wäre ihr nicht würdig.
Diese Unendlichkeit bedeutet für Giordano Bruno eine unermessliche und unerschöpfliche Wirklichkeitsfülle und steht für das uneingeschränkte Vermögen des Intellekts, wodurch der Mensch sich aus den Mauern eines endlichen physikalischen Universums befreien kann.
In diesem unendlichen All setze ich eine unendliche Vorsehung, kraft derer jegliches Ding lebt, webt und sich bewegt und in seiner Vollkommenheit dasteht, und diese begreife ich im doppelten Sinne, einmal in der Weise, dass sie gegenwärtig ist, überall und in jedem beliebigen Teile, so wie die Seele im Körper, und die nenne ich Natur. Aber dies ist nur eine Spur und ein Schatten der Gottheit.
Das andere Mal ist sie auf eine unaussprechliche Art mit Gott verbunden durch ihre Wesenheit, Gegenwart und Allmacht in allem und über allem.
Aus Giordano Brunos Vermächtnis an die Menschheit
Renaissance ist Wiedergeburt. Sie betrachtet neben dem Raum auch die Zeit und die Geschichte in Kreisläufen, die kein Ende haben werden und in denen alles wiederkehrt. Das postuliert auch Giordano Bruno. Die Ewigkeit kann nicht konstant sein, sie ist nicht die Langeweile einer fertigen Welt, die in sich ruht. Vielmehr leben wir in einer Welt der Dynamik, die nie aufhört, sich zu bewegen, einer Welt, die selbst eine endlose Bewegung ist.
Was aber ist mit all dem Bösen, das diese Dynamik mit sich bringt? Die Welt, die Gott erschaffen hat, sieht ja nicht danach aus, als wäre sie in Güte, Weisheit und Allmacht geschaffen…
Wie Giordano Bruno darüber denkt, dazu nächste Woche mehr.