Brief 265 - Ich bin da, als der ich da sein werde

Im 15. und 16. Jahrhundert bricht in Europa eine neue Kulturepoche an: Die Renaissance, das französische Wort für Wiedergeburt, markiert nicht nur die Zeit des Übergangs vom Mittelalter in die Neuzeit, sie steht auch für die Wiederbelebung der kulturellen Leistungen der griechischen und römischen Antike. Humanistische Gelehrte werden zu Wegbereitern für bahnbrechende neue Perspektiven auf das Menschenbild und beflügeln die Literatur, Bildhauerei, Malerei und Architektur.

Mitten in dieser Zeit, wir schreiben das Jahr 1548, wird in der Nähe von Neapel Filippo Bruno geboren. Bekannt wird er unter seinem Ordensnamen Giordano, den er nach seiner Aufnahme in den Dominikanerorden annimmt. Wirkliche Bekanntheit erlangt er weniger als Mönch, sondern durch sein revolutionäres Denken, mit dem er sich gegen die herrschende Meinung der Kirche stellt.

 

Giordano Bruno hat nicht nur das geozentrische Weltbild mit der Erde als Mittelpunkt abgelehnt, er erweiterte das damals neue kopernikanische Modell. Seine Betrachtung von Sternen, Planeten und einem unendlichen Universum deckt sich verblüffend mit unseren heutigen Erkenntnissen.

 

Was ich vor allem mit Dir teilen möchte, sind Giordano Brunos Sicht auf die Schöpferkraft, die Schöpfung und den Menschen. Sie waren auch der Grund für seine Verfolgung durch die Inquisition.

 

Aufgefallen sind diese Ansichten zuerst, als er in seiner Zelle das Kruzifix mit dem gekreuzigten Korpus von der Wand entfernt und sich der Darstellung von Heiligen oder eines Gottes verwehrt. Es würde für ihn Gott nur verkleinern. Außerdem kann es nach seiner Überzeugung keinen strafenden Gott geben, der seinen eigenen Sohn ermorden lässt, damit die Menschen von ihren Sünden freigesprochen werden.

Beim Aspekt, dass man sich von Gott kein Bild machen soll, könnte sich Giordano Bruno sogar auf das Gesetz des Moses berufen: Alle Bilder, die wir uns von einem Gott machen, können nicht richtig sein, weil er immer unendlich größer ist. Und auch im Koran spricht Mohammed von den 100 Namen Allahs, von denen kein einziger passend wäre.

 

Im Buch Exodus offenbart sich Gott Moses mit der Antwort, dass es keinen Begriff gibt, mit dem er zu begreifen wäre. Er spricht: Ich bin da, als der ich da sein werde. Das ist, was du von mir wissen musst. Wo immer du bist, was immer du brauchst, wird dir sein durch meine Begleitung. Ich werde dich nie verlassen, ich werde stets bei dir sein. Das ist mein ganzes Wesen.

Es ist mein Beistand, der möchte, dass du bist, dass du unterwegs bleibst und dass du zurückfindest zu deinem Ursprung, der ich selber bin.

 

Mögen diese Worte tief in Dein Bewusstsein eindringen und Dich durch die kommende Woche begleiten, zu deren Ende wir mit den Augen von Giordano Bruno auf die Schöpfung blicken wollen.