Brief 216 - Namaste

Der letze Abschnitt in Radhakrishnans Zitat hat nicht nur mich zum Nachdenken angeregt:

 

Während die westlichen Nationen die Freiheit auch um den Preis des Konflikts verlangen, unterwerfen sich die östlichen dem Frieden selbst um den Preis der Knechtschaft. Sie verehren den Menschen mit wenigen Bedürfnissen als das glücklichste Wesen.

 

Der Gedanke an Frieden selbst um den Preis der Knechtschaft erzeugt bei vielen von uns unmittelbar Widerstand. Kein Mensch soll in Knechtschaft leben müssen!

Erlaubt uns diese zutiefst menschliche Überzeugung aber, unsere Freiheit - und ich ergänze die Freiheit anderer - notfalls durch Konflikte zu erstreiten oder zu verteidigen?

Sich dieser Frage zu stellen, sorgt erstmal für einen weiteren Konflikt - aber diesmal in uns selbst.

 

Ist doch da die Geschichte, die uns lehrt, dass der Preis für diese Freiheit unendliches Leid, Flucht und nicht selten Tausende oder Hunderttausende von Toten bedeuten würde und allzuoft gar nicht zum gewünschten Ziel führt. Dann steht am Ende nur, dass das gegenseitige Abschlachten ein Ende findet. Oder eine Freiheit, die bei genauerer Betrachtung auch nur Knechtschaft - diesmal aber in anderer Form - darstellt.

 

Mir kam der Gedanke, dass die östlichen Kulturen uns bestenfalls eine Formel zur Verfügung stellen könnten, welche den Konflikt als Lösungsweg geradezu ausschließt und es uns ermöglicht, den Weg des Friedens aufrichtig gehen zu können.

 

Vielleicht steckt die Lösung in der hinduistischen Grußformel Namaste.

Sie bedeutet wörtlich übersetzt „Verbeugung Dir“ und wird auch als „Ich sehe das Göttliche in Dir“ ausgelegt.

Namaste betrachtet uns als eingebettet (der Begriff ist uns letzte Woche begegnet) in etwas Größeres. Es erkennt die gemeinsame Quelle im Gegenüber.

 

Namaste öffnet den Weg aus dem inneren Konflikt. Wir lassen den Verstand zur Ruhe kommen und entlassen uns alle in die ersehnte Freiheit.

Namaste erlaubt uns, für diesen Planeten und die Schöpfung Verantwortung zu übernehmen. Wir alle sind Schöpfergeist. Knechtschaft kann es für uns gar nicht geben!

 

Namaste!