Brief 283 - Ein Baum spricht

Ein herzliches Grüezi aus Interlaken! Mit ein paar Eindrücken möchte ich Dich mitnehmen auf den Schweizer Jakobsweg. Wir sind von Stans in der Zentralschweiz nach Interlaken im Berner Oberland gelaufen.

Dazu gibt es aus der „Wanderung“ von Hermann Hesse die Fortsetzung des Textes über die Bäume:

 

… Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen zu sprechen, wer ihnen zuzuhören weiß, der erfährt die Wahrheit. Sie predigen nicht Lehren und Rezepte, sie predigen, um das Einzelne unbekümmert, das Urgesetz des Lebens.

 

Ein Baum spricht: In mir ist ein Kern, ein Funke, ein Gedanke verborgen, ich bin Leben vom ewigen Leben. Einmalig ist der Versuch und Wurf, den die ewige Mutter mit mir gewagt hat, einmalig ist meine Gestalt und das Geäder meiner Haut, einmalig das kleinste Blätterspiel meines Wipfels und die kleinste Narbe meiner Rinde.

Mein Amt ist, im ausgeprägten Einmaligen das Ewige zu gestalten und zu zeigen.

 

Ein Baum spricht: Meine Kraft ist das Vertrauen. Ich weiß nichts von meinen Vätern, ich weiß nichts von den tausend Kindern, die in jedem Jahr aus mir entstehen. Ich lebe das Geheimnis meines Samens zu Ende, nichts andres ist meine Sorge.

Ich vertraue, dass Gott in mir ist. Ich vertraue, dass meine Aufgabe heilig ist. Aus diesem Vertrauen lebe ich.

 

Wenn wir traurig sind und das Leben nicht mehr gut ertragen können, dann kann ein Baum zu uns sprechen: Sei still! Sei still! Sieh mich an! Leben ist nicht leicht, Leben ist nicht schwer. Das sind Kindergedanken. Lass Gott in dir reden, so schweigen sie.

 

Du bangst, weil dich dein Weg von der Mutter und Heimat wegführt.

Aber jeder Schritt und Tag führt dich neu der Mutter entgegen.

Heimat ist nicht da oder dort. Heimat in in dir innen, oder nirgends.